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Darf ein deutscher Winzer Ösi-Wein anbauen?

Felix Peters.

Blaufränkisch

Blaufränkisch

St. Antony, Deutschland

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Ein Winzer in Rheinhessen mäht Rieslingreben ab, um sie gegen Blaufränkisch zu tauschen. Spinnt der? Unser Weintester Thomas C. Golenia hat das Ergebnis probiert.
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Der Blaufränkisch ist in Rheinhessen ein ungebetener Gast. Im waldlosen Hügelland zwischen Bingen und Worms hat er keinerlei Geschichte, keine Tradition. Er gehört nicht hier her, murmeln die alteingesessenen Winzer einstimmig.

Warum also diese Alien-Rebe anbauen, wo es doch genügend heimische Rebsorten gibt? Die Antwort weiß nur Felix Peters vom Weingut St. Antony.

Es ist das Jahr 2005. Im Weindorf Nierstein mit seinen marsroten Böden nahm die Geschichte mit dem rheinhessischen Blaufränkisch ihren Anfang.

Weingut St. Antony hatte gerade einen Eigentümerwechsel hinter sich und der neue Geschäftsführer Felix Peters betrat neue Pfade. Weg vom Massengeschmack, mehr Exklusivität, mehr Spitzenqualität, höhere Preise, betuchte Zielgruppe.

Der damals Endzwanziger hatte mit dem Niersteiner Krisenbetrieb Großes vor. Die Losung war vollmundig. St. Antony soll zu einem der besten Weingüter Deutschlands umgebaut werden. Nicht wenige fragten sich, ob ein ortsfremder Jüngling wie Peters dieses Vorhaben überhaupt schultern kann?

Lest meinen Artikel über die Anfänge bei St. Antony:

Top-Riesling vom Multimillionär

Peters konnte. Auch weil er das Riesenpotenzial der roten Eisen-Böden vor den Toren Niersteins früh erkannte. Es gab Zeiten, als Nierstein-Weine noch zu Billigstpreisen verramscht werden mussten. Große Teile Rheinhessens standen damals für Qualitäten, die besser ins Tetrapack als in teure Weinkeller gehörten. Doch das ist längst Vergangenheit. Eine ganze Weinregion hat sich saniert. Auch Nierstein mit seinem berühmten Roten Hang. Aber das Problem lag jetzt anderswo. Und hörte auf den schrecklichen Namen Klimaerwärmung.

Felix Peters ahnte, dass die Temperaturen in weiten Teilen des Roten Hangs innerhalb von Jahrzehnten zu hoch werden würden, um weiterhin Riesling der Spitzenklasse anzubauen. Der vornehme Riesling – mit Abstand am weitesten verbreitet am Roten Hang – mutiert zur Zicke, wenn es ihm zu warm wird. Und versagt allmählich. Seine Anbaugrenze schiebt sich jedes Jahr Stück für Stück gen Norden, wo es kühler ist. Wo er jetzt noch ausharrt, reift er Wochen früher als vor Jahrzehnten. Ein Alarmsignal.

Peters unternahm radikale Gegenmaßnahmen. Rotweinreben! Und zwar nicht irgendwelche. Es musste Blaufränkisch sein, eine relativ spät reifende Sorte aus Österreich. Uralte Genetik und deutlich unempfindlicher gegenüber Wärme als Riesling.

Blaufränkisch ist in Österreich der Superstar unter den Rotweinreben. Was dort die Spitzenwinzer aus dieser Sorte keltern, sorgt international für beachtlichen Wirbel und wird mit Gold und Silber überschüttet.

Blaufränkisch hat oft eine feine Säure und passt hervorragned zur deftigen österreichsichen Küche. Er steht für eine gewisse Pikanterie. Er hat nicht zu viel Frucht und kann geschmacklich die Bodenart wunderbar transportieren. Und er ist sehr lagerfähig. Stilistisch ist der Blaufränkisch für mich die elegante Verbindung von Syrah mit Spätburgunder.

Also ließ Peters alte Rieslingstöcke seiner besten Lage Pettenthal kappen, um auf deren Wurzelstümpfe rote Blaufränkischreben zu pfropfen, ähnlich einer Herztransplantation.

Ein Hightech-Verfahren, das nicht ganz billig und risikofrei ist. Peters beauftragte für diesen komplizierten Vorgang ein französisches Spezialunternehmen. Gottseidank – das alte Wurzelwerk nahm den jungen Blaufränkisch an, der prächtig im Roten Hang zwischen den Rieslingreben anderer Weingüter zu gedeihen begann. So wurde die berühmte Weißweinlage Pettenthal auch zum Rotweinland.

Doch hört man sich heute in Nierstein um, ist weiterhin Skepsis gegenüber Peters zu spüren. Örtliche Weinbautraditionen werden – so der Vorwurf – mit Füßen getreten. Besonders in Niersteins bester Lage, dem Pettenthal, wo nach langläufiger Meinung Riesling hingehört und Exoten gar nichts verloren haben.

Peters selbst kann die Bedenken nicht nachvollziehen. Seine Kritiker schlägt er mit ihren eigenen Argumenten und verweist genau wie sie auf Historisches: Riesling wuchs ja auch nicht seit ewigen Zeiten am Roten Hang! Vor langer Zeit verdrängte er den Gelben Orleans, eine Art deutsche Urknallrebe. Heute nahezu ausgestorben.

Peters hatte den Weitblick, den man bei seinen Kritikern vermisst. Seine Blaufränkischweine werden ihm aus den Händen gerissen. Nicht nur, weil sie eine Außenseitergeschichte erzählen. Über einen skurrilen Blaufränkisch vom Roten Hang lässt sich eben mehr sagen als über die 1263te Interpretation eines Riesling. Peters Rechnung ist aufgegangen.

 

Datum: 27.7.2018
 

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